Ein Alleinstellungsmerkmal Bad Salzungens ist, dass die Kurstadt über natürliche Solevorkommen in drei verschiedenen Konzentrationen verfügt: 1, 6 und 27 Prozent.
Die Prozentzahlen spiegeln den Salzgehalt der Solen wieder. Sowohl die ein- als auch die sechs-prozentige Sole kommen artesisch, also ohne menschliches Zutun, aus der Erde. Diesem glücklichen Umstand ist die Entstehung der Salzproduktion im Ort zu verdanken. Aus den salzigen Quellen konnte wertvolles Salz gewonnen werden.
Salz wurde als weißes Gold bezeichnet. Es war kostbar, denn es diente als Mineralstofflieferant und zur Konservierung von Lebensmitteln.
Mineralstoffe sind für uns wichtig, weil verschiedene Abläufe im Körper nur durch Salz möglich sind. Die Salzkonzentration in den Zellen steuert beispielsweise die Osmose, welche Grundlage für den Zell-Stoffwechsel ist. Im zentralen Nervensystem können Impulse nur wegen der Leitfähigkeit des Salzes über die Nervenfasern weitergegeben werden. Folglich denken und handeln wir nur dank im Salz enthaltener Elemente wie beispielsweise Natrium.
Außerdem war Salz für die Konservierung von Fleisch damals von größter Bedeutung.
Um Salz gewinnen zu können, musste der Wasseranteil der Sole verdunsten. Aufwendige Verfahren wurden im Laufe der Zeit entwickelt, um aus Sole Salz zu gewinnen. ln Siedepfannen, sogenannten Nappen, verkochte man Sole auf Holzfeuer. Das dafür in Mengen benötigte Holz wurde jedoch knapp und teuer. Die Wälder um Bad Salzungen verschwanden. Deshalb mussten neue Wege zur Salzherstellung gefunden werden.
Ab etwa 1590 baute man die ersten Gradierhäuser. Das waren natürliche Verdunstungsanlagen. Hier wurde der Salz-Grad von 6 auf bis zu 27 Prozent erhöht. Durch diese neue Methode wurde der Salz-Ertrag erheblich gesteigert und das Herstellungsverfahren billiger. Nach verschiedenen Versuchen, die Wände mit Stroh, Birkenreisig, Wacholder, Schilf und Rohr zu bestücken, erwies sich Schwarzdorn als beständigstes Material. Insgesamt 24 Gradierhäuser wurden seit damals in der Werra-Aue um Bad Salzungen gebaut. Die Ostwand ist die letzte Original-Produktionswand von 1796/97.
Der Begriff "Gradieren"
Der Begriff „Gradieren“ wird heute umgangssprachlich für das Freiluftinhalieren des Sole-Nebels an den Gradierwänden verwendet. Ursprünglich stammt er aus der Salzproduktion. Durch wiederholtes Abrieseln der Sole über die Reisig-Wände verringert sich der Wasseranteil der Sole. Das Wasser verdunstet zunehmend. Der Salzgehalt beziehungsweise der Grad des Salzes in der Sole steigt.
Von den Anfängen des "Gradierens"
Die heilende Wirkung der Sole ist seit Jahrhunderten bekannt. Die Arbeiter in den Salinen litten trotz ihrer schweren körperlichen Arbeit kaum an Atemwegserkrankungen. Das Baden in Sole wurde mit dem Beginn des 19. Jahrhunderts immer populärer und viele Salinen gründeten Soleheilbäder. Erster Bade-Gast war 1801 der preußische General von Seebach aus Weimar „mit bestem Erfolg“.
Auch die Salzunger Pfännerschaft entschloss sich 1837 ein Badehaus zu errichten, nachdem erste gute Heilerfolge immer mehr Badegäste anzogen. Gleichzeitig wurden Spaziergänge entlang der Gradierhäuser empfohlen. Das Einatmen der solehaltigen Luft versprach Linderung bei Atemwegserkrankungen.
Ab Mitte des 19. Jahrhunderts kommen immer mehr Kurgäste nach Salzungen. Die Aktiengesellschaft Saline und Solbad errichtet ein Empfangsgebäude mit Warte- und Ankleidezimmer direkt neben der Ostwand. Das Fachwerkhaus im Schweizerstil ist durch einen Laubengang mit dem Gradierwerk verbunden. Der Mittelbau wird ab 1902 zum neuen Empfangsgebäude. Das Fachwerkhaus an der Ostwand dient nun zur Einzel-Inhalation. An verschiedenen Apparaten kann inhaliert werden.
In der alten Einzel-Inhalation befindet sich heute die Bad Salzunger Tourist-lnformation und das MUSEUM AM GRADIERWERK.
Der Kurbetrieb beginnt
Kurbetrieb in Salzungen im klassischen Sinne, gibt es seit 1814. Das war der Zeitpunkt, ab dem Dr. Johann Caspar Bein in Regelmäßigkeit seinen Patienten Solewannenbäder verordnete.
Dr. Johann Caspar Bein
Am 15. Juni 1779 in Salzungen geboren. Nach dem Studium ließ er sich als Arzt in der Stadt nieder. Als Arzt wendete er mit Erfolg Solebäder an. 1805 erzielte er damit einen Heilerfolg an Kindern, die an Nachwirkungen von Masern litten. Ab 1814 verschrieb er regelmäßig Solebäder. Seine Heilerfolge durch Anwendung von Solebädern und die Untersuchung der Salzunger Sole durch Professor Johann Bartholomäus Trommsdorff im Jahre 1821 waren mit Anlass zur Einrichtung des ersten öffentlichen Badehauses 1822 durch die Pfännerei in Salzungen. Hierzu dient vorläufig die ehemalige Wohnung eines Saline-Beamten. Bein war Land- und Stadtphysikus, Hofrat, Badearzt und Leibarzt des Prinzen Ernst von Hessen-Philippsthal. Er starb am 1. April 1841 in Salzungen.
Badearzt Dr. Philipp Wagner
- geboren am 20. August 1829 in Hildburghausen
- Studium ab 1849 in Jena und Würzburg
- 1852 Promotion zum Doktor der Medizin
- ab 1855 Badearzt in Salzungen
- starb 1906 in Salzungen
Er war Mitbegründer und 1. Vorsitzender des Deutschen Bäderverbandes. Er leitete ihn 10 Jahre und wurde dann zu seinem Ehrenvorsitzenden ernannt. Ebenso war er langjähriger Vorsitzender des Thüringer Bäderverbandes.
Der Badearzt Dr. Philipp Wagner wirkte ab 1855 in Salzungen und hat sich in seiner 50jährigen Tätigkeit große Verdienste um die Entwicklung des Badewesens erworben. Seine medizinischen Abhandlungen über die Heilwirkung der Sole fanden im deutschsprachigen Raum große Beachtung.
Er beschrieb das Salzunger Gradierwerk folgendermaßen:
„Das gegen 90 Meter lange Gebäude ist nicht nur mit einem vor Regen schützenden Dach bedeckt, sondern auch von einem aus Brettern hergestellten und mit Glasfenstern versehenen, 3 Meter hohen Verschlag umgeben, der jeden Wind von den Besuchern des Hauses abhält.“
So waren die Kurgäste während des Inhalierens vor Wind und Wetter geschützt, hatten aber gleichzeitig immer Frischluft.
Schon Dr. Philipp Wagner erkannte, dass Salzungen so gute Inhalationsmöglichkeiten besitzt, wie kein anderes Sole-Heilbad. Auf seine Anregung wurde das Gradierwerk in den Sommermonaten von Mai bis September ausschließlich für Kurgäste genutzt.